Sprache schafft Realität
Sprache ist faszinierend und mächtig. Sprache kann Sachverhalte und Dinge bezeichnen, und gleichzeitig innere Vorstellungswelten erschaffen. Alles was wir denken, wahrnehmen oder woran wir uns erinnern, nimmt Einfluss auf uns. Unsere Überzeugung beeinflusst unsere Emotionen, unser Gefühl für Selbstwirksamkeit, unser Selbstwertgefühl und unsere Sicht auf Andere. Es ist also entscheidend für unser Handeln und Miteinander, wie wir miteinander sprechen.
Wenn wir zu unseren Kindern sagen: „das ist zu schwer für dich“, „dafür bist du noch zu klein“, verhindern wir, dass Kinder und Jugendliche erfolgreich sind. Unsere Haltung ihnen gegenüber beeinflusst sie. Sie trauen sich nicht, da sie „ja noch zu klein“ sind.
Wenn wir als vermeintlich „besser wissende Erwachsene“ agieren, implizieren wir, dass sie nichts können und wissen. Fragen wir jedoch, was sie zu dem Thema meinen und warten die Antwort ab, akzeptieren eine andere Meinung und erkennen sie an, unterstützen wir sie darin, ihre Selbstwirksamkeit selbst erfahrbar zu machen. Unsere Offenheit und Neugierde auf die Ideen und Ansichten der Jüngeren hat bedeutenden Einfluss auf die Kokonstruktion unserer Wirklichkeiten.
Albert Bandura, einer der führenden Psychologen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat das Konzept der Selbstwirksamkeit erforscht; wie man Motivation erzeugt und sich Erfolgserlebnisse ermöglicht. Indem man sich selbst etwas zutraue, sei der wichtigste Grundstein gelegt. Allein der Glaube daran es zu schaffen, begünstige einen positiven Verlauf.
Auch die verbale Zuschreibung von Situationen kann darauf basierend unterschiedlich geschehen. In unserer Familie „dürfen“ immer alle in die Schule. (Sie „müssen“ nicht.)
Und nach der 10. Klasse wurde das tatsächlich damals von unserem ältesten Jugendlichen erstaunt und sehr dankbar zur Kenntnis genommen und verbalisiert, dass er – welch ein Privileg – noch nicht in eine Ausbildung müsse und arbeiten, mit anderen Arbeitszeiten und Urlaubstagen, sondern weiter zur Schule gehen dürfe.
Wir Menschen ordnen gerne etwas in Schubladen ein. In jeder einzelnen Situation ordnen wir alle uns zugänglichen Informationen, indem wir sie Etikettieren, ihnen einfache Eigenschaften zuschreiben. So ist es möglich, sich einigen wenigen Einzelaspekten gezielt zuzuwenden. Die Schubladen ordnen die komplizierte und komplexe Welt für uns und machen sie überschaubar. Kategorisierungen helfen, Sinneseindrücke und Erfahrungen zu ordnen. Es sind erforderliche kognitive Strategien, die die Wahrnehmung regulieren. Es ist unmöglich, nicht zu kategorisieren.
Das tun wir auch mit anderen Menschen. Bestimmte Aspekte des Aussehens oder des Verhaltens von Menschen werden hervorgehoben und dienen zur Beurteilung oder Verurteilung der ganzen Person, die auf diese Aspekte reduziert wird.
Geläufige Etikettierungen für Kinder sind Prinzessin, Stänkerfritze, Rabauke, Hexe, Zicke, Dramaqueen, King Louis, Graf Kox, Herr Professor, Heulsuse, Bummelliese, Schusselchen, Störenfried, etc.
Manchmal sind sie liebevoll gemeint. Aber als Sammlung wird deutlich, dass die Etikettierungen immer auch etwas Kränkendes haben, weil sie einem Kind/Menschen bestimmte Eigenschaften zuschreiben und automatisch andere Seiten seiner Person ignorieren. Es wird verallgemeinert und es werden andere Verhaltensmuster, Fähigkeiten oder Eigenschaften der betroffenen Person ausgeblendet. Ein achtsamer Blick auf unsere Kommunikation kann unbewusste Privilegierungen bzw. Diskriminierungen im Alltag sichtbar machen und somit eine Chance bieten, die Macht der Sprache entsprechend ressourcenorientiert und ermutigend, auf Augenhöhe für alle zu nutzen.
Alle Menschen als Ganzes zu sehen. Jede*r ist viel mehr, als nur dieses eine Etikett.
Hilfreich finde ich immer, zu überlegen, ob wir selbst, oder unser*e Partner*in mit dieser Ettikettierung benannt werden wolle.
Leider ist auch bei Erwachsenen eine Kultur des Kosenamengebens, die auf den zweiten Blick nicht nett und wertschätzend sind, üblich. Da gibt es noch viel zu lernen.
Am einfachsten ist es, die Menschen mit ihrem Namen zu rufen.
„Es ist nicht so schlimm, Vorurteile zu haben, aber es ist fatal, zu glauben, man hätte keine.“ (Zitat von https://rosa-hellblau-falle.de/rosahellblaufalle/)